von Thomas Köck
URAUFFÜHRUNG
Regie: Marco Štorman
Premiere am 25. November 2016
Letzte Vorstellung am 31. Dezember 2016
Gastspiel-Termine:
Theater Phönix Linz 19., 20., 21., 22., 23.
April 2017Schauspielhaus
Salzburg 27., 28., April 2017klagenfurter ensemble 11,
12, und 14. März 2017Theater
am Lend Graz 10., 11., 12. Mai 2017Theater KOSMOS Bregenz 13, 14, und 15 Juni 2017Aufführungsdauer ca. 1 ¾ Stunden,
keine Pause
Wien im März 1848 – die drei Jahrzehnte seit dem Wiener Kongress haben eine bleierne Restaurationszeit
gebracht, der Feudalismus besteht weiter, die Hoffnungen auf Demokratie und Freiheit haben sich nicht erfüllt. Doch unter
der Oberfläche der Ständegesellschaft gärt es und Umbrüche beginnen sich anzudeuten. Einer der Protagonisten der Rebellion:
Hans Kudlich. Obwohl bei einer Demonstration durch ein Attentat lebensgefährlich verwundet, lässt sich der Sohn einer Bauernfamilie
von seinem Kampf für die Freiheit nicht abbringen. Er zieht mit 25 Jahren als jüngstes Mitglied in den österreichischen Reichstag
ein. Im Juni 1848 legt er dort den Gesetzentwurf zur Aufhebung der Leibeigenschaft vor und geht dadurch als Bauernbefreier
in die Geschichte ein. Kaum ist die Freiheit von den Feudalherren erkämpft, stellt sich allerdings die Frage nach der Zukunft:
Die Bauern brauchen nun Kredite für eigene Höfe und so führt ihre Befreiung in die Abhängigkeit von der neugegründeten Raiffeisenbank.
Ihre Freiheit, ein vergiftetes Geschenk? Aus Leibeigenen werden plötzlich Agrar-Ökonomen – das Unternehmertum mit allen verbundenen
Chancen und Risiken ersetzt die sichere Unfreiheit des Feudalismus.
In seinem jüngsten Stück verwendet Thomas
Köck die Biographie Hans Kudlichs als Folie, vor der er humorvoll und poetisch Fragen nach Revolution und Widerstand aufwirft.
Lustvoll springt er dabei zwischen Historie und Gegenwart hin und her und erzählt über die Ambivalenz der Freiheit. Der Philosoph
Byun-Chul Han, der mit seinem Begriff von der »Müdigkeitsgesellschaft« die vielleicht prägnanteste Analyse der letzten Jahre
gestellt hat, spricht davon, dass unser System »von der Fremdausbeutung auf die Selbstausbeutung« schalte, »weil dies mehr
Effizienz und mehr Produktivität generiert, alles unter dem Deckmantel der Freiheit.« Die Folge sei die grassierende Überforderung
des Einzelnen, die zu immer mehr psychischen Erkrankungen führt. Ist die Freiheit im Kapitalismus eine neue Form der Unterdrückung,
indem sie die Menschen zur permanenten Selbstausbeutung und Optimierung nötigt?
Thomas Köck, geboren 1986
in Steyr, gilt als einer der vielversprechendsten jungen deutschsprachigen Autoren – kürzlich erhielt er für sein Werk »paradies
fluten (verirrte sinfonie)« den Kleist-Förderpreis 2016, die wichtigste Auszeichnung für junge Dramatik im deutschsprachigen
Raum. Schon in seinem Erstlingswerk »jenseits von fukuyama «, für das er den Osnabrücker Dramatikerpreis 2014 bekam, erzählte
er von einer Arbeitswelt, die von einem utopischen »Ende der Geschichte« weit entfernt ist, in der vielmehr Angst und Druck
das Klima bestimmen. Das Stück wurde unter anderem am Nationaltheater Mannheim aufgeführt, dessen Hausautor Thomas Köck in
der vergangenen Saison war. Im Frühjahr 2016 wurde am Schauspielhaus Wien mit »Strotter« in der Regie von Tomas Schweigen
erstmals ein Stück von Thomas Köck in Österreich zur Uraufführung gebracht. Für »Kudlich« gewann er im Frühjahr 2016 den Autorenpreis
der österreichischen »Theaterallianz«.
Sein ebenso komischer wie sprachlich virtuoser Parforceritt durch die Restaurationszeit
arbeitet sich an Vorbildern wie Kleist und Büchner ab und spielt immer wieder mit möglichen Parallelen zwischen unserer Gegenwart
und der Restaurationszeit nach dem Wiener Kongress. »Geistesgrößen « beider Epochen von Georg Büchner bis Arabella Kiesbauer
treffen aufeinander, bis sich zuletzt die Frage nach Revolution und Widerstand in der Gegenwart stellt. Obwohl unsere
westlichen Gesellschaften momentan durch die grassierende Angst vor dem Fremden beinah gelähmt wirken und unfähig zur inneren
Reform: Müsste nicht weiter für Freiheit und Gerechtigkeit gekämpft werden? Der Soziologe Heinz Bude sprach kürzlich mit Blick
auf die prekären Verhältnisse in Call Centern oder der Logistik-Wirtschaft von einem neuen »Dienstleistungsproletariat «,
von Menschen, die trotz aller Sozialgesetzgebung oft mehrere Jobs gleichzeitig machen und dennoch in Armut leben müssen. Stellt
sich da nicht eine neue Soziale Frage? Oder sind die Menschen auch im 21. Jahrhundert, wie Büchner sagt, nur »Puppen, von
unbekannten Gewalten am Draht gezogen«?
Marco Štorman, geboren 1980 in Slowenien, aufgewachsen in Graz und Hamburg,
legt nach der Deutschsprachigen Erstaufführung von Chris Thorpes »Möglicherweise gab es einen Zwischenfall« in der letzten
Saison mit der Produktion »Kudlich«, die 2017 nach der Vorstellungsserie in Wien auf Tournee durch die österreichische »Theaterallianz
« gehen wird, nun seine zweite Regiearbeit am Wiener Schauspielhaus vor. Seit 2009 ist er freier Regisseur und wurde 2013
für seine Inszenierung von Elfriede Jelineks »Winterreise« am Stadttheater Klagenfurt zum Festival »radikal jung« in München
eingeladen, dem renommiertesten Festival für junge Regie im deutschsprachigen Raum. Seitdem inszenierte er u. a. am Hamburger
Thalia Theater, Staatstheater Kassel, an der Staatsoper Stuttgart sowie im Rahmen der »Münchener Biennale für neues Musiktheater«.
Seit 2016 ist er Hausregisseur für Musiktheater am Theater Luzern und arbeitet außerdem an den Theatern Bremen, Bonn und am
Staatsschauspiel Dresden.